Die Orgelwerkstatt von Uri Shani

in Yuvalim, Galiläa, Israel

Seit Januar 2022 bin ich der Besitzer von Gideon Shamirs Orgelwerkstatt.

Das israelische Fernsehen hat eine kurze Reportage über uns gemacht, und ich habe deutsche Untertitel hinzugefügt: https://www.youtube.com/watch?v=PoEIu1MeZpU

.Im Dezember 2021 installierten wir Gerard Levy's Orgel in Shaar Haamakim

Das Filmchen ist unvollendet, aber gibt dennoch einen Eindruck von unserer Arbeit

Unsere Orgelwerkstatt ist auch ein Besucherzentrum, wo wir den Besucherinnen und Besuchern unsere Arbeit zeigen (auch auf Deutsch).

Hier im Video könnt ihr eine kurze Minute sehen und hören, wie wir auf den beiden kleinen Instrumenten, die wir für diesen Zweck in der Werkstatt haben, das Adagio von Albinoni spielen. Ich die Solostimme auf der kleinen Orgel, und Nil Jukov die Begleitung.

Am 12.4.22 beehrte uns der Kulturattache der deutschen Botschaft, Herr Richard Siegfried Hayato Xu-Yamato, mit einem Besuch. Gideon spielte, und Ido Ben-Gal sang. Karo Apter hat ein paar sehr schöne Fotos geschossen.

Ein bisschen persönlicher Hintergrund:

Der Vater meiner Urgroßmutter Johanna Manheimer geb. Sarasohn war Jakob Sarasohn, der Oberkantor der Synagoge Stettin. Er arbeitete mit dem Rabbiner Vogelstein und dem Organisten Lehmann, und komponierte auch für die Orgel. Meine Urgroßmutter, seine Tochter, war im Mädchenchor der Synagoge, der von der Orgel begleitet wurde.

Im folgenden Auszüge aus Peisers Buch:

Jacob Peiser:

Die Geschichte der Synagogengemeinde zu Stettin

1. Auflage 1935, im Selbstverlag der Gemeinde Stettin. 2. Auflage 1947 in Tel Aviv, mit Nachtrag über die Shoa. Hier zitiert aus der dritten Auflage, 1965 des Göttinger Arbeitskreises.

S. 36:

Der Bau der Orgel wurde der Orgelbaufirma Emil Kaltschmidt, Stettin-Grünhof, unter Oberaufsicht des Städtischen Musikdirektors Dr. Lorenz übertragen. In die Baukommission der Gemeinde wurden die Herren Louis Itzig, I. Baumann, M. Heymann, Julius Saalfeld, L. Pädzter und Julius Wald gewählt.

S. 39:

Dass das Gotteshaus aber damals schon auf etwa 1600 Plätze berechnet wurde, obwohl die Gemeinde nur etwa 1000 Seelen zählte, macht dem Weitblick der damaligen Verwaltung alle Ehre. In der Tat herrschte ein dauernder Zuzug in das wirtschaftlich lebendige Stettin, so daß es nicht lange dauerte, bis jedesmal an den hohen Feiertagen die große Synagoge restlos gefüllt war. Am Sonntag, dem 29. Juni 1873, erfolgte die feierliche Grundsteinlegung.

S. 42:

Bei der Beratung dieser Kultusordnung war es nicht ohne Kämpfe zugegangen; besonders wurde von orthodoxer Seite gegen die im Vogelsteinschen Gebetbuch vorgenommene Streichung der Worte "mikol hoamim" Stellung genommen. Eine Einigung wurde schließlich dahingehend herbeigeführt, daß die Weglassung in den Gebeten bestehen blieb, daß die Worte aber nur den Segensspruch über die Thora beibehalten werden sollten.

S. 44-45

Im Jahre 1914 wird festgestellt, daß sich an der Synagoge in den seit der Erbauung verflossenen 37 Jahren doch verschiedene, bedeutendere Sdtäden herausgestellt haben. Eine Kommission der Gemeindevertretung, zu der außerdem Herr Siegfried Pawel als Architekt hinzugezogen wird, stellt fest, daß die Dampf­ heizung, welche allerdings nicht gleich beim Neubau, sondern erst 1887 von der Firma Ludwig Joh. Müller, Magdeburg, mit einem Kostenaufwand von M. 13 ooo.- angelegt worden war, schadhaft sei.

Übrigens war auch die elektrische Beleuchtung erst im Jahre 1895 mit einem Kostenaufwand von fast M. 5000.- eingebaut worden, wobei auch die Ewige Lampe durch einen eigenen Lei­tungsstrang und standfest konstruierten Leuchtkörper mitein­bezogen  wurde.  Bis dahin hatte  die Synagoge  Gasbeleuchtung besessen.

Bei dieser Renovierung  sollte auch die Orgel umgebaut  wer­den.  Bereits   1910  hatte  der  inzwischen   pensionierte   frühere Organist,  Herr   Musikdirektor   Robert   Lehmann,   eingehende Vorschläge für einen Umbau der Orgel gemacht. Jetzt legte sein als Nachfolger  tätiger Sohn, Musikdirektor  Georg Lehmann, im Verein mit Herrn Kantor Max Deiler umfassende  Pläne für die gänzliche  Umgestaltung  der  Orgel  und  der  Orgelempore  vor. Anlaß dazu hatte ein fühlbarer Mangel an Frauenplätzen gegeben, der durch eine Verlegung der Orgel behoben werden soll. Es war anfangs beabsichtigt, die Orgel  an der Ostwand  über  der Hei­ligen Lade anzubringen. Dies konnte jedoch aus statischen Gründen nicht erfolgten, außerdem  aber hätte  diese Anordnung  den hochragenden  Charakter der architektonisch  so wirksamen Ostwand sehr stark gedrückt, so daß dieses Projekt nicht ausgeführt wurde. Deswegen wurde der Vorschlag, sie über die Frauen­empore an der Westwand zu heben, ausgeführt. Bisher stand nämlich die Orgel gänzlich auf der Empore, so daß nur noch Raum für zwei Reihen Frauenplätze blieben, so daß an dessen bisheriger Stelle etwa 50 Frauenplätze neu geschaffen werden. Vor allem aber soll die Orgel, bei der bisher die Bälge getreten werden mußten, ein elektrisches Windgebläse erhalten. Der Orgeltisch, der bis dahin so stand, daß der Chor hinter dem Organisten saß (später erhielt er seitlich  seinen Platz), wurde zum Zwecke besserer Dirigiermöglichkeit umgedreht. Der beab­sichtigte Umbau der Orgel wurde auf Vorschlag der ausführen den Firma Walker & Co., Ludwigsburg, ein völliger Neubau, von der alten Orgel wurde nur das äußere Gehäuse übernommen.

Bei den Verhandlungen mit dem Orgelbauer wurde auch der Einbau einer Vox humana angeregt, wobei das Vorbild der be rühmten Orgel in der Hofkirche in Luzern  vorschwebte. Dort läßt die Vox humana geradezu überirdische Töne erklingen, so daß die Orgel die Kirche zu einem Anziehungspunkt für die ganze Welt macht. Leider konnte der Wunsch nicht erfüllt wer den, weil sich die Kosten zu hoch gestellt haben würden.

Die Gesamtkosten für die umfangreichen Maurerarbeiten, Lichtverlegung,   Orgelbau,   Malerei   usw.   werden   auf   etwa M. 40 ooo.-veranschlagt.

Am 1. März 1914 gibt der Vorstand bekannt, daß die Syn agoge auf fünf Monate geschlossen werde. Der Gottesdienst fin­det in dieser Zeit zuerst in der Börse, ab April im Saal von Karchowski-Fischer  statt.

S. 55f:

Jacob Sarasohn: seit 1. September 1875 bis zu seiner Pensionierung im September 1912. Der verdienstvolle Chasan, der auch kompositorisch und dichterisch tätig war, wurde von den Gemeindebehörden in Anerkennung seiner Leistungen zum Oberkantor ernannt. Er lebt auch heute noch im Gedächtnis vieler Gemeindemitglieder. Als er im März 1913 nach Hamburg verzog, überbrachte ihm eine Deputation der Repräsentanten als Zeichen seiner Wertschätzung die Abschiedsgrüße der Gemeinde.

S. 57

Organist und Chor

Einen wichtigen Faktor für die Schönheit in der Ausgestaltung des Gottesdienstes bildet die Orgel, die Königin der Instrumente. Sie zu bedienen erfordert, besonders bei dem neuen komplizierten Werk, eine Künstlerhand.

Als erster Organist war, wie bereits erwähnt, Herr Musikdirektor Robert Lehmann seit Einweihung der Synagoge tätig. In Gemeinschaft mit Herrn Kantor Sarasohn hat dieser wahrhafte Künstler viele Lieder und hebräische Texte vertont und mit feinem Empfinden häufig altehrwürdige Motive so in seine Kompositionen verarbeitet, daß wir sie, wie z. B. das Eingangslied am Neujahrsabend „Wir steh'n in Deinen Hallen“ als durchaus dem Rahmen des Gottesdienstes angepaßt empfinden. Als Herr Robert Lehmann sich durch Krankheit am 27.12.1911 genötigt sah, sein Amt aufzugeben und er zum 1. April 1912 pensioniert wurde, gab man seiner Empfehlung statt, daß sein Sohn Georg Lehmann ihm im Amte nachfolge.

Der Chor bestand von Anfang an nur aus Damen. An den hohen Feiertagen wurde ein vierstimmiger gemischter Chor eingerichtet, zu dem sich in reichlicher Zahl Gemeindemitglieder unentgeltlich zur Verfügung stellten.

S. 99:

Adaß- Jißroel-Gemeinde

Die Stettiner Synagogen-Gemeinde ist eine Einheitsgemeinde, die satzungsmäßig alle jüdischen Einwohner der Stadt umfaßt. Auch die Mitglieder der Adaß-Jißroel-Gemeinde (= Gemeinde Israel. So nennen sich für gewöhnlich die Separatgemeinden der orthodoxen Juden. (Anm. von Rabbiner Dr. Neufeld, Israel.) gehören ihr an, und es ist ein Zeichen ihrer Opferwilligkeit, wenn sie, aus Gründen ihrer orthodoxen Anschauung, sich bemühen, soweit es ihnen möglich ist, außerdem mit eigenen finanziellen Mitteln ihre Sondergemeinde zu erhalten.

1914, nachdem Lehmann und Sarasohn pensioniert wurden und Vogelstein gestorben war, wurde von Walcker ein Neubau der Orgel ausgeführt.

Die Orgel hat die Nazidiktatur nicht überlebt, ebenso wenig über 100 andere Orgeln. Nur acht Orgeln aus Synagogen haben überlebt. Aber in Israel und Palästina gibt es über 50 Orgeln, ein Teil davon von Gideon Shamir, und ein größerer Teil wird von uns unterhalten.

Am 12. November 2022 besuchte der polnische Organist Jakub Stefek unsere Werkstatt. Er lebt und arbeitet in Stettin, wo mein Ururgrossvater Oberkantor in der Synagoge war. Er spielt auch in Berlin und interessiert sich sehr fuer juedische Orgelmusik.

https://rosenduftgarten.blogspot.com/2022/02/konigin-der-instrumente-tone-der.html